Ein Bahnübergang der keiner mehr ist
In der Engerthstraße im 20. Wiener Gemeindebezirk befindet sich ein Bahnübergang der
keiner ist! Die Bahn als Abzweigung von der Donauuferbahn in ein Betriebsgelände gibt es
seit mehr als 20 Jahren nicht mehr, doch die Haltesignale sind geblieben, ebenso die
Schienen links und rechts der Straße, dazwischen wurden sie entfernt und drüber asphaltiert.
Was auch blieb war der Haltestreifen vor den Lichtsignalen der Bahn, sodass doch nicht
ortskundige Autofahrer immer wieder langsamer fahren in dem Bereich und Ausschau nach
der vermeintlichen Bahn halten.
{besps}bahn20{/besps}
Fotos: © Erich Weber
Dabei dienen die ehemaligen „Schienen“ längst als Parkplatz und die Signale sind wohl eben
darum erhalten geblieben, dass die Autofahrer grade in der Nacht in dem Bereich langsamer
fahren, auch eine Möglichkeit eine nächtliche „Rennstrecke“ etwas zu entschärfen und eine
Art Industriedenkmal ist es ja allemal – erinnert es doch an zahlreiche Industriebetriebe die
früher entlang der Donau angesiedelt waren.
Diente doch die Donau damals wie heute als wichtiger Transportweg durch Europa und
besonders in den Osten Europas. So lagen viele Betriebe an der Donau, hatten teilweise
auch eigene Anlegestellen um die Waren schnell und problemlos umschlagen zu können,
wie der Flurname „Handelskai“ heute noch daran erinnert.
Doch das hörte sich nach und nach seit Kriegsende auf, sodass in den 80ern des letzten
Jahrhunderts nahezu alle Betreibe entlang des Handelskais verschwanden und durch Wohn-
bauten ersetzt wurden. Mitschuld an dieser Entwicklung trug natürlich auch die Errichtung
weiterer Hochwasserschutzmaßnahmen. Denn damit war der direkte Zugang zur Donau
praktisch nicht mehr gegeben.
Heute sind nur noch wenige Betriebe am Handelskai angesiedelt, vermutlich der Älteste ist
die Ofenrohrfabrik Bertrams, die gerade dort wo die Bahn früher abzweigte beheimatet ist.
Sie besteht seit der K. & K. Zeit und zählt nach wie vor als wichtigster Ofenrohrlieferant
Mitteleuropas. Und das trotz weniger Nachfrage in Mitteleuropa, da sich da Fernwärme-
formen immer mehr durchsetzen. Aber im Osten Europas und darüber hinaus sind Öfen
nach wie vor üblich und so exportiert die Firma Bertrams 2/3 ihrer Erzeugnisse genau dort
hin.
Heute werden die alten Anlegestellen an der Donau wieder reaktiviert, als Anlegestellen
für Lastkähne und Schiffe, die in Wien Zwischenstopp machen bzw. auf Passagiere oder
Last warten müssen. Doch der Warenumschlag für den Donautransport findet nur noch im
Wiener Hafen statt, der in den letzten Jahren auch entsprechend wuchs und noch wächst
bzw. immer wieder modernisiert wird. Erfreut sich doch die Donau immer mehr neben
der Bahn als kostengünstiger Transportweg insbesondere in den Osten Europas.
Bleibt abzuwarten wie lange das „Industriedenkmal Bahnübergang Engerthstraße“ noch
erhalten bleibt und damit vielleicht für mehr Verkehrssicherheit sorgt. Aber auf jeden
Fall sorgt es für Erheiterung bei den Ortskundigen und Anrainern.
Erich Weber
2012-12-22