Interview mit dem Verbandssekretär des VÖAFV


Aus der Sicht des  Verbandssekretärs Martin Genser

Bezüglich des gestrigen Beitrags „Nationalparks als Geldquelle“, veröffentlichen wir heute
das Interview mit dem Verbandssekretär des  VÖAFV  (Verband der österreichischen
Arbeiter-Fischerei-Vereine) .

VÖAFVVerbandssekretär Martin Genser, im Interview mit ERSTAUNLICH
ERSTAUNLICH:
Eine mögliche Verwirklichung des Vorhabens eines  Nationalparks March-Thaya-Auen, löst
bei den  Fischern entlang dieser Grenzflüsse Alarmstimmung aus. Sie befürchten nicht un-
begründet, aus  ihren angestammten Revieren vertrieben zu werden.
 
Ein klassisches Beispiel  dafür bietet der Nationalpark Hainburger-Au. Wo einst Angler still
und  friedlich ihrem Hobby nachgingen, ziehen nun lautstark Besuchermassen und Moun-
tain-Biker durch  die Au. Wie sinnvoll ist der Austausch von ruhigen Anglern gegen lärm-
ende Schulklassen und  Mountainbikern in einer Naturlandschaft?

MARTIN GENSER:
Ich denke, dass es sehr wichtig ist, möglichst vielen Menschen die Wichtigkeit von Natur-
schutz und Artenvielfalt nahe zu bringen, und  damit Verständnis  für den  sensiblen Um-
gang mit  Naturressourcen zu schaffen.  Um  das zu ermöglichen,  ohne die Kriterien von
eingerichteten  Schutzzonen zu verletzen,  ist die sogenannte  Besucherlenkung die Her-
ausforderung an die  Naturparkverwaltungen,  die  bekannter weise nicht immer so funk-
tioniert, wie man sich das wünscht.  Andererseits dürfte sich die Besucher-Frequenz, mit
der der  Nationalpark Donau-Auen  aufgrund der  geografischen  Nähe zur Millionenstadt
Wien konfrontiert ist, an den March-Thaya-Auen in Grenzen halten.
 
Zum Anderen waren die Fischer immer schon  an der Erhaltung von  Natur und insbeson-
dere von Flussläufen mit mehr oder weniger Erfolg bemüht.  Anders als vielfach geglaubt
wird, geht es uns Fischern nicht  um die Erhaltung der  Fischfauna einzig zum Zweck des
Ausfanges.
Das  Verständnis  für  sensible Ökosysteme  und das biologische  Zusammenspiel  einzelner
Arten  hat die Fischerei in den letzten  Jahrzehnten geprägt  und die Aufgabenfelder auch
des VÖAFV im Laufe der Zeit bis heute neu definiert. Viele Fischarten währen heute ohne
die  Bemühungen der  Fischereiorganisationen ausgestorben.  Wir stehen somit klar hinter
der Prämisse:  Dringender Schutzstatus der  March-Thaya-Auen – aber gemeinsam mit uns
Fischern!
 
 
ERSTAUNLICH:
Die  geografische  Gegebenheit entlang der Flüsse March und Thaya sieht so aus,  dass der
überwiegende Teil der Gegend aus einem Überschwemmungsgebiet, in einer durchschnitt-
lichen Breite von etwa 500 Meter besteht. In diesem befindet sich der  Hochwasserdamm,
sowie die Trasse der dort verkehrenden Bahnlinien.
Zusätzlich wird  die gesamte Örtlichkeit  teils von Wohngebieten oder landwirtschaftlich ge-
nutzten  Fläche eingesäumt.  Gleich daneben verlaufen stark befahrene Bundestrassen. Die
kleinen  Auwälder und  Ausstände  die sich  in  diesem  Überschwemmungsgebiet befinden,
werden seit eh und je von den Fischern und Jägern bzw. deren Vereinen gepflegt und ge-
hegt.  Es herrscht  absoluter Einklang mit der Natur.  Was  soll dort ein Nationalpark verbes-
sern?
MARTIN GENSER:
Zur Erhaltung  der ökologischen  Artenvielfalt in der Marchregion,  die von Menschenhand in
hohem Maße geprägt wurde,  macht ein Schutz- und Pflegestatus wie etwa ein Biosphären-
park durchaus Sinn. Der sensible Umgang mit bedrohten Pflanzen und Tierarten im wirkungs-
vollen  Zusammenspiel mit der  Umfeldnutzung wird in der Bevölkerung und bei den Fischern
der Region bereits gelebt.  Ohne Schutzstatus würde  aber möglicherweise auch dieser rest-
lich  verbliebene Teil einzigartiger  Fauna und Flora dem  Wirtschafts- und  Infrastrukturdruck
auf Dauer nicht standhalten können.
 
 
ERSTAUNLICH:
Erst am 14.10.2010 befasste sich der Tourismus-Ausschuss des Nationalrats im Rahmen einer
aktuellen Aussprache mit dem Thema Nationalparks. Staatssekretärin Christine Marek meinte
die Natur sei ein absoluter Anziehungspunkt für den Tourismus, und die sechs Nationalparks
vom Seewinkel zu den Hohen Tauern berührten verschiedene Aspekte des Tourismus.

Konkret verwies sie darauf, dass 451 Mio. Euro durch Nächtigungen und 29 Mio. Euro durch
Tagestourist(innen) in den Nationalparks erzielt würden. Es sei nun die Aufgabe,  unter den
bestehenden  Rahmenbedingungen  das touristische  Potential unter  Berücksichtigung des
Umweltschutzgedankens auszuschöpfen.

Unter diesem Aspekt stellt  sich die Frage, wie sinnvoll  überhaupt die  Errichtung weiterer
Nationalparks sei. Es entsteht der Eindruck, zu Lasten von Personen welche finanziell nicht
so interessant sind, wie z.B. die Fischer im Falle des im Gespräch befindlichen Nationalparks
March-Thaya-Auen, die Natur unter dem Vorwand des Naturschutzes, als Tourismus-Indus-
trie zu verwerten.  Macht eine derartig kommerzielle  Vermarktung der Natur  wirklich Sinn
und warum  geschieht dies unter dem Deckmantel „Nationalpark“?
MARTIN GENSER:
Diese Frage müssen Sie konkret an die Politik und den Tourismus stellen. Die Auseinander-
setzung  um touristisches  Potential darf auf keinen  Fall im Widerspruch zum Naturschutz-
gedanken  stehen.  Das ist klar.  Ich bin mir sicher,  dass allein  die Gelsen  das  Besucher-
interesse an einem Naturschutzpark an der March ziemlich einschränken dürften.
 
 
ERSTAUNLICH:
Der  im  Gespräch befindliche  Nationalpark  March-Thaya-Auen,  löst wie bereits eingangs
erwähnt, Unmut  bei sämtlichen  Fischereivereinen entlang der March und Thaya aus.  Es
bestehen nicht unbegründete Zweifel dafür, dass ein jahrhundertealtes Kulturgut wie die
Fischerhütten entlang dieser Flüsse,  zum Opfer der  Privilegierungs-Sucht  etlicher WWF-
Leute fallen, die angeblich bereits Pläne für einen Nationalpark vorgelegt haben. Versucht
der WWF sich durch einen Alleingang zu profilieren und werden die Fischer weichen müs-
sen?
MARTIN GENSER:
Dahingehend ein klares Nein. Der VÖAFV steht in ständigem Dialog mit den  Projektbetrei-
bern.  Ein Alleingang  wird nicht  möglich sein,  das ist auch beim  WWF unmissverständlich
angekommen und wird auch respektiert. Ebenso stehen auch weite Teile der Bevölkerung
hinter uns  mit der Meinung,  dass ein österreichisches Kulturgut,  wie es die Fischerhütten
an Donau und March sind, nicht aus der Landkarte gestrichen werden kann.
 
 
ERSTAUNLICH:
Der WWF-Mann Gerhard Egger meinte in einem Gespräch wörtlich, dass ihn an den Fischern
nichts störe  (Quelle: Kurier Print vom 15.10.2010).  Aus dieser  doch etwas  überheblichen
Aussage  kann der Schluss  gezogen werden, dass Angler und Daubler in einem eventuellen
Nationalpark  im höchsten  Fall geduldet sind.  Wie weit ist so ein  Mann ein ernsthafter  Ge-
sprächspartner für den VÖAFV?
MARTIN GENSER:
Man muss  sich das  einmal vorstellen:  Noch  vor wenigen  Jahren waren Fischer und Natur-
schützer erbitterte Gegner.  Heute kämpfen  VÖAFV und  WWF Schulter an Schulter öster-
reichweit für die  Durchgängigkeit freier  Flussstrecken und gegen den massiven naturfeind-
lichen Ausbau der Wasserkraft. Ich habe Gerhard Egger als weitsichtigen Experten rund um
Biologie und Naturschutz kennen gelernt. Auf diese Gemeinsamkeiten und das gegenseitige
Verständnis bauen wir auch in den nächsten Schritten Richtung March/Thaya-Schutzgebiet.
 
 
ERSTAUNLICH:
Der  VÖAFV ist Österreichs  größter Fischereiverband mit rund 12.000 Mitglieder.  Er steht
unter Schirmherrschaft von Nat.Abg. Dr. Günther Kräuter, der Präsident dieses Verbandes
ist. Der VÖAFV besitzt auch einige Reviere an den Flüssen March und Thaya.  Nun hat sich
Dr. Günther Kräuter, positiv zu einem geplanten Nationalpark March-Thaya-Auen geäußert.
Fällt er damit nicht seinen Schutzbefohlenen in den Rücken?
MARTIN GENSER:
Keinesfalls.  Auch wenn die  Aussagen  in Fischerkreisen  einige  Irritationen  hervorgerufen
haben: Präsident Kräuter weiß genau um die Notwendigkeiten und Möglichkeiten in Bezug
auf die Fischerei, wenn es darum geht, ein wichtiges Naturgut in einen Schutzstatus zu er-
heben.  Darauf können wir vertrauen.  
 
 
ERSTAUNLICH:
Wir danken für das Gespräch.
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2010-11-02