SPÖ huldigt einem Verfechter der Ermordung von Behinderten


Ein Denkmal für Julius Tandler

Im  Beitrag  „Gedenktafel für …..“  haben wir der Nationalratspräsidentin  Barbara Prammer
eine gewisse Portion Scheinheiligkeit attestiert.  Wir schrieben damals folgendes wörtlich:
 
„Wir finden es lobenswert,  wenn sich die Jugend mit den NS-Verbrechen auseinandersetzt
und  versucht diese aufzuarbeiten.  Allerdings nehmen wir der Nationalratspräsidentin nicht
ganz ab,  dass sie wirklich beeindruckt und berührt war. Diese Behauptung stellen  wir des-
halb in den Raum, weil es in Wien einen örtlichen Schandfleck namens „Julius Tandler Platz“
gibt.“
 
Im  Schlusssatz  des damaligen Beitrag merkten wir zynisch an,  dass man vor dem Schloss
Hartheim  eine  Julius Tandler-Gedenktafel  aufstellen könnte,  sollte man seitens der SPÖ
nicht Willens sein,  den „Julius Tandler Platz“ umzubenennen. Wie knapp  wir an der Wahr-
heit vorbeigeschrammt  sind  wurde uns erst heute klar,  als wir weitere Recherchen über
Julius Tandler anstellten.
 

Wer war Julius Tandler?

Für  nicht informierte Leser(innen) wollen wir nochmals erklären,  wer Julius Tandler war.
Er  war von 1920 bis 1933 sozialdemokratischer Stadtrat für Wohlfahrtsangelegenheiten
und ein Verfechter der Euthanasie für  „unwertes Leben“.  So  schrieb  dieser  als ideo-
logischer   Wegbereiter  für  die  schrecklichen Euthanasie-Morde der Nazis an Behinder-
ten,  im Jahre 1924  in einem Aufsatz zu  „Ehe und Bevölkerungspolitik“  folgendes:
 
„Welchen  Aufwand  übrigens  die  Staaten für völlig lebensunwertes Leben leisten müs-
sen, ist zum Beispiel daraus zu ersehen,  daß die 30.000 Vollidioten Deutschlands diesem
Staat zwei Milliarden Friedensmark kosten.   Bei der Kenntnis solcher Zahlen gewinnt das
Problem der Vernichtung lebensunwerten Lebens an Aktualität und Bedeutung.  Gewiß,
es sind ethische, es sind humanitäre oder fälschlich humanitäre Gründe, welche dagegen
sprechen,  aber  schließlich  und  endlich  wird auch die Idee,  daß man lebensunwertes
Leben opfern müsse, um lebenswertes zu erhalten, immer mehr und mehr ins Volksbe-
wußstein dringen.“
 
Wir ersparen uns weitere Ausführungen zu Julius Tandler, denn auch dem Blauäugigsten
muss  nun  klar sein,  welch unangenehmer Zeitgenosse dieser Mann war.   Dass man so
einer  Person kein positives Denkmal setzen sollte,  müsste sich normalerweise von selbst
erklären.   Das  sahen  die Rathaussozialisten jedoch anders und ehrten Tandler im Jahre
1960  per  Gemeinderatsbeschluss,  indem  sie  eine  „Julius Tandler-Medaille“  in Bronze,
Silber und Gold ins Leben riefen.
 
Screen: wien.gv.at
 

Wahrheit sickerte langsam aber sicher durch

Es grenzt schon an perfider Ironie, einem Verfechter der Euthanasie an Behinderten eine
Medaille zu widmen.  Noch perfider ist es allerdings an dieser festzuhalten, als die ideolog-
ische Haltung von Tandler zwar spät, aber langsam und sicher bekannt wurde.  Dazu hat
das Internet einen erheblichen Teil beigetragen.
 
Die  „Julius Tandler-Medaille“  wird  ironischerweise  an  Personen verliehen, die sich durch
ihre uneigennützige und aufopfernde Tätigkeit um das Wohl der Mitmenschen besonders
verdient  gemacht haben und soll als  äußeres Zeichen der Anerkennung und Würdigung
durch die Stadt Wien dienen.
 
Wir sehen dies etwas anders.   Die Verleihung einer Ehrenmedaille, die einem Verfechter
und  Befürworter  für  die Ermordung von Behinderten gewidmet ist,  empfinden wir als
Beleidigung der zu ehrenden Person.
 
Wie  wir  durch  unsere  Recherchen  in  Erfahrung  bringen konnten,  wurden die „Julius
Tandler Medaillen“ offenbar nur an hohe sozialistische Funktionär(innen)  vergeben. Unter
den  zahlreichen   Ehrenträger(innen)  finden sich beispielsweise  Ilse Forstner,  Ernestine
Graßberger, Erik Hanke und Ernst Berger, um nur einige Namen zu nennen.
 
Die letzte Verleihung fand erst im Dezember des Vorjahres statt. Am 21.12.2011 wurde
Prof. Dr. Ernst Berger, Kinder- und Jugendpsychiater, von Gesundheits- und Sozialstadt-
rätin Mag. Sonja Wehsely mit der Julius-Tandler-Medaille in Gold geehrt.
 

Aufklärung der Geehrten wäre angebracht

Offenbar sind sich die Träger(innen) der  „Julius Tandler-Medaille“  gar nicht bewusst,  was
ihnen  da an die Brust geheftet wurde. Möglicherweise sind diese Personen auch gar nicht
in  Kenntnis,  welch unangenehmer  Zeitgenosse  dieser Tandler überhaupt war,  denn es
wird nicht jedermann(frau) Recherchen anstellen, wenn ihm/ihr ein Orden der Stadt Wien
verliehen wurde.
 
Allerdings  ist  es  nun höchst  an  der Zeit,  dass die noch lebenden Träger(innen) dieser
Medaille  seitens  der SPÖ informiert werden,  dass Julius Tandler als Arzt die Auslöschung
„unwerten Lebens“ forderte und damit der Eugenetik das Wort geredet hat. Damit sollte
den  geehrten  Personen die Möglichkeit gegeben werden zu entscheiden,  ob sie dieses
Ehrenzeichen künftig überhaupt noch tragen wollen.
 
Nochmals zurück zu der von uns in den Raum gestellten Scheinheiligkeit. Es erscheint uns
erstaunlich,  dass  sich  die  SPÖ einerseits immer wieder für die Aufarbeitung der NS-Ver-
brechen  stark macht,  während sie andererseits an einem  Apologet der Erbgesundheits-
lehre  festhält  und bis zum heutigen Tage durch die Stadt Wien die sogenannte  „Julius
Tandler Medaille“ an Persönlichkeiten für „Verdienste um die Menschlichkeit“ vergibt.
 
Im Schlussabsatz wollen wir nochmals festhalten,  dass  Julius Tandler mit seiner Ideologie
ein Wegbereiter der Nationalsozialisten war,  die mit der Auslöschung „unwerten Lebens“
genau  jenen  Weg  bestritten  haben,  den  dieser  bereits in den 1920er Jahren vorge-
geben hat.
 
Die SPÖ wäre gut beraten sich von Personen wie Julius Tandler zu distanzieren, um bei
ihrem Anliegen,  der Aufarbeitung der NS-Verbrechen wirklich ernst genommen zu wer-
den.   Die umgehende Abschaffung der  „Julius Tandler Medaille“ wäre ein erster geeig-
neter Schritt.
 
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2012-05-05