Keine Sexperten bei der Finanz


Lokalbetreiber sollen als Steuereintreiber fungieren

„Entgegen den gesetzlichen Bestimmungen war es in Österreich über Jahre hinweg üblich, dass
in  manchen  Bundesländern von SexarbeiterInnen durch BetreiberInnen monatlich Beträge ein-
behalten  worden  sind  um  diese dem Finanzamt zu überweisen“,  so steht es auf dem Internet-
portal  sexworker.at zu lesen.
Möglicherweise  waren  die  betroffenen Finanzämter  über  diese Inkassotätigkeit gar nicht so
unglücklich,  denn  damit blieb es ihnen erspart, bei den Damen selbst abzukassieren.  Denn
so problemlos ist das nicht,  immerhin gibt es den Paragraphen 216 StGB.  Im Absatz 1 steht:
„Wer  mit  dem  Vorsatz,  sich aus der Prostitution einer anderen Person eine fortlaufende Ein-
nahme  zu  verschaffen,  diese  Person  ausnützt,  ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu
bestrafen.“ Wobei  das  Wort  „ausnützt“ nicht   klar   definiert  ist  und  ganz  nach   Belieben
interpretiert werden kann.
Im  vorigen  Jahr  fällte  der  VwGG  nun  ein Urteil,  in dem eine derartige Vorgehensweise als
rechtswidrig  festgehalten  wurde.   Es  ist  daher  ungesetzlich von Prostituierten irgendwelche
Steuern zu kassieren, um sie ans Finanzamt weiterzuleiten. Da im Urteil auch vermerkt wurde,
dass  es  aus  der Sichtweise der Finanz kein Problem darstellt  „unselbstständige Sexarbeiter-
innen“ als Beschäftigte im  Wirtschaftsbetrieb einzugliedern,  macht es sich diese sehr einfach.
Erstaunlich wird es bei der Klassifizierung durch die Finanz.  Wir können beim besten Willen
nicht  nachvollziehen,  wie der Unterschied zwischen Unselbständigkeit und Selbständigkeit
eruiert wurde. Die Damen machen alle den gleichen Job, sie gehen nämlich der Prostitution
nach.   Dabei ist es egal,  ob es sich beispielsweise um ein Laufhaus, Bordell oder Massage-
studio handelt.
Uns kommt es so vor als wenn sich die Finanz dachte*: „Besser den Spatz in der Hand, als
die Taube  am  Dach“  und  daher  die  Auswahl völlig willkürlich traf.   Den Grund dafür ver-
muten  wir  in  der  nicht  sehr  hohen Steuermoral der Sexarbeiterinnen.   Viele sind nur für
wenige  Monate in Österreich und  wandern dann weiter.   Bevor der Finanz überhaupt auf-
fällt,  dass  diese  Damen  ihre  Steuern nicht entrichtet haben,  sind diese schon in irgend-
einer anderen europäischen Stadt.
Da ist es doch wesentlich einfacher den  Betreiber eines Etablissement in die Verantwortung
zu nehmen.   Dieser ist nämlich verpflichtet, außer seinen eigenen Abgaben auch die seiner
Dienstnehmer  abzuführen.   Und da kommt das im oberen Absatz zitierte Sprichwort* zum
Tragen, denn ein Betreiber ist sehr leicht in die Verantwortung zu nehmen.
Eine Prostituierte als Dienstnehmerin ist nicht möglich.   Dafür gibt es einen guten Grund: Da
wäre  nämlich  die  Weisungspflicht,  der jeder Dienstnehmer im  Rahmen seiner beruflichen
Tätigkeit  unterliegt.   Nicht jede Sexarbeiterin erfüllt (aus welchem Grund auch immer) jeden
sexuellen  Wunsch  eines  Freiers.   Wenn ein Betreiber diesbezüglich eine Weisung erteilen
würde, macht er sich des § 216 StGB schuldig.
Aber augenscheinlich ist das der Finanz egal, solange sie zu ihrem Geld kommt. Eines dürfte
jedenfalls  feststehen:  Viel  nachgedacht  wurde  diesbezüglich nicht.   Aber vielleicht liegt es
daran,  dass bei der Finanz keine Expert(innen) für das horizontale Gewerbe tätig sind.
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2014-02-25