Philosophien eines „Kriminellen“


GASTAUTOREN – BEITRAG

Der Einbrecherkönig an seine Prinzessin  

 

Guten Morgen Liebling:  Es ist noch  dunkel, aber gar nicht kalt.   Du kannst vermutlich

heute ein wenig länger schlafen. Ich habe gerade im Bett folgende surreale Überlegung:

 

Mein Leben, mein Gehirn ist momentan auf einem immer selben Gleis eingefahren.  Es

kommt nicht Wichtiges, Interessantes dazu.  Ich bleibe  auf meinem derzeitigen Wissen

stehen und meine derzeitigen Bekannten  tragen zu keiner Wissensvermehrung bei.

 

Wenn Du auf Ausgang kommst,  müssten Du und ich zu einem Metzger, einen Chirurgen

oder einen  Psychiater gehen, der müsste unsere Gehirne aus dem Schädel auslösen,  in

ein  Gefäß geben und gründlich  durchrühren,  zusammenmischen und  dann wieder je

zur Hälfte in unsere Köpfe einfüllen.

 

In  schätzungsweise rund 20 Jahren oder auch später,  wird man sein Gehirn,  bzw.  die

Gedanken,  das Gedachte  abspeichern können,  dann kann es der  Computer so durch-

mischen  wie ich erwähnte.   Bis ins 15. Jahrhundert  konnten die Menschen nur ganz

wenige Erfahrungen an Nachkommen  weitergeben,  mit Gutenberg begann die Weiter-

gabe auf Papier in  mehrfacher Form.

 

Mit Computer werden in naher Zukunft fast alle Gedanken weitergegeben,  analysiert,

verwertet werden.  In meinen  Kurs beim AMS  muss ich noch 5 mal gehen. Am Mon-

tag von 8 bis 12 und von 13 bis 17 Uhr.  Das mache ich noch einmal, bevor ich aber in

einen nächsten Kurs geschickt werde, gehe ich in Pension, denn so ein Kurs bringt gar

nichts.

 

Obwohl: Jedes Negativum bringt auch etwas Positives.  Denk mal nach darüber, ob Du

irgendetwas kennst, dass nur negativ ist.   Selbst die  Haft ist auch positiv, weil Du Dir

jetzt sagst, Du musst Dein Leben  ändern und Du lernst die Qual der Zusammenführung

meist „schlechter“ Menschen kennen.

 

Natürlich sind das in Haft keine  schlechteren Menschen, werden aber von unserer Gesell-

schaft als solche betrachtet.  Und daraus musst Du lernen.   Die Menschen in Haft leisten

einen positiven Beitrag zu unserer Gesellschaftsordnung. (Wie das Bundesheer zur Sicher-

heit) Alle fürchten sich vor dem Gefängnis und  das bewirkt,  dass sich Menschen an die

Gesellschaftsordnung halten, obwohl diese nicht positiver als die Kriminalität ist.   Krimi-

nalität  ist eine oppositionelle „Ordnung“.

 

Aber auch unsere  Gesellschaftsordnung müsste man in Anführungszeichen schreiben, weil

es ebenfalls eine negative Ordnung ist, in der sich Menschen über  andere stellen und sich

mehr vom Kuchen nehmen „dürfen“,  als es  ihnen zusteht.   (Der OMV-Direktor „verdient“

400 mal so viel wie ein Arbeiter, dafür, dass er sein ganzes Leben den „richtigen“ Leuten

in den Arsch gekrochen ist.)

 

Warum  verdient ein Bäcker  mehr als ein Tischler und ein Koch  weniger als ein Maurer?

Weil  den Gewerkschafter XXX  bei den Gehaltsverhandlungen am Montag bessere Argu-

mente einfielen als er am Dienstag hätte und auch schon bei vorhergehenden Gehaltsver-

handlungen  die Arbeitgeberseite mit  Argumenten besser  motivieren konnte  mehr zu

bezahlen als der Verhandler etwa der  Rauchfangkehrer.

 

Ich werde versuchen öfter nicht daheim zu essen, sondern in der Mensa der Wirtschafts-

uni,  wo es  auch nicht so teuer  ist und versuchen mit den  Studenten ins  Gespräch zu

kommen, denn meiner Überlegung nach  Investiert man den Gewinn ganz einfach in seine

Firma und zahlt dadurch  weniger Steuer.

 

Und je mehr die Firma dadurch wert wird, weil Du ja auf  Kosten der übrigen Wirtschafts-

teilnehmer weniger Steuern bezahlst,  umso reicher wirst Du,  oder Wlaschek (Billa-Grün-

der), oder Mateschitz  (Red-Bull-Gründer) etc. Aber ob meine Überlegung ganz so stimmt?

 

Ernst Stummer

2011-11-27