Erstes Feedback ist eingetroffen
Unser gestriger Beitrag „Das Outing der Ute Bock – TEIL2“ war keine zwölf Stunden alt
und wir erhielten bereits ein Echo. Es betrifft zwar nicht die pädagogischen Maßnahmen
der Frau Bock im Zuge ihrer Kinderbetreuung, aber dafür ein Schülerheim welches unter
SPÖ-Fittichen stand und noch immer steht.
Foto: © erstaunlich.at
Auch hier gab es Prügel bis das Blut spritzte
In der Redaktion meldete sich heute ein Mann, der vorerst ungenannt bleiben will und so
einiges zu erzählen hatte. Er war von 1966 bis1969 im Schülerheim Stromstraße 34, im
20. Wiener Gemeindebezirk untergebracht.
Sein Aufenthalt war „vollintern“, da seine Eltern Markfahrer waren und mit ihren Waren
halb Europa bereisten. Dieses Heim war kein Aufenthaltsort für Kinder aus sozial
schwierigen Familienverhältnissen. Dort wurden Kinder untergebracht, deren Eltern aus
beruflichen Gründen zur Erziehung ihres Nachwuchs keine Zeit hatten und dafür auch
ein erhebliches Monatsentgelt bezahlen mussten.
Foto: © erstaunlich.at
Heute lacht der lustige Kasperl an der Türe
Das tat jedoch keinen Abbruch, dass auch in einer solchen Institution blanke Gewalt gegen Kinder ausgeübt wurde. Herr XY (Name der Red. bekannt) erzählte uns folgen- des: „Für jedes Vergehen gab es Sanktionen, welche von den Erziehern ausgeführt wurden. In meiner Gruppe gab es zwei davon. Den Herrn D. und den Herrn H.“
„Wenn beispielsweise nach dem Licht ausschalten im Zimmer gesprochen wurde, musste
der ertappte Übeltäter stundenlang – oft bis nach Mitternacht und bis zur Erschöpfung – zur Strafe am Gang stehen.“
Herr D. hatte zusätzlich eine besondere Bestrafungsmethode. Da gab es das „Österreich- ische Wörterbuch“ welches zur Erziehung eingesetzt wurde. Je nach Vergehen, mussten Kinder die gegen Regeln verstoßen haben, das Vorwort aus diesem Buch x-mal abschrei- ben. Die Prozedur konnte man sich jedoch ersparen, wenn man sich stattdessen besagtes Buch, x-mal auf den Kopf schlagen ließ. Und Herr D. hat ganz schön zugelangt.“
Die „g´sunde Watschn“ stand bei den Erziehern D. und H. ohnehin an der Tagesordnung.
Einmal verprügelte mich H. derart, dass ich mit dem Hinterkopf gegen einen Heizkörper
donnerte. Eine riesige Platzwunde und eine Gehirnerschütterung waren das Ergebnis der
Prügelorgie des Erziehers H.“
„Anstatt den Erzieher zu fristlos feuern, vertuschte das Heimleiterehepaar W. den Vorfall.
Meine Platzwunde musste im Lorenz Böhler Krankenhaus genäht werden. Als Grund
wurde im Spital ein „Unfall“ beim Spielen angegeben. Der Prügelerzieher verblieb weiter
im Dienst, als wenn nichts geschehen wäre.“
„Mit meinen Eltern habe ich erst 14 Tage nach dem Vorfall gesprochen, nachdem sie aus
Brüssel zurückgekehrt waren. Mein Vater stellte sofort das Heimleiterehepaar W. zur Rede
und bestand auf eine Anzeige gegen H.“
„Doch aus dieser wurde nichts, denn es wurde ihm unverblümt mitgeteilt, wenn er H. an-
zeige, müsse er mich und meine beiden Geschwister aus dem Schülerheim nehmen. Da es
meinem Vater auf Grund seiner beruflichen Situation nicht möglich war drei Kinder sofort aus dem Heim zu nehmen, biss er in den sauren Apfel und verzichtete auf eine Anzeige- erstattung. Ein knappes Jahr später konnte er es so arrangieren, dass die Mutter daheim bleiben konnte und nahm uns aus dem Schülerheim.“
„Die Zeit in diesem Heim war für mich und meine Geschwister ein Horrorerlebnis. Ich er- innere mich noch an einen besonderen Vorfall, der zwar mit Gewalt gegen Kinder nichts
zu tun hat, mir aber heute noch einen kalten Schauer über den Rücken jagt. Der Haus- meister stürzte aus ungeklärter Ursache im Stiegenhaus-Schacht zu Tode und seine Leiche lag stundenlang am Boden des Schachtes.“
Auf unsere Frage warum er erst so spät mit seinen Schülerheimerlebnissen an die Öffent- lichkeit geht, antwortete Herr XY folgendes: „Ich habe kein Interesse an einer finanziellen Entschädigung. Ich bin ein erfolgreicher Geschäftsmann. Jedoch die Aufdeckung des Kinder-
heimskandals Wilhelminenberg haben meine Kindheitserinnerungen wieder wachgerüttelt.
Ich will, dass so viele Menschen wie möglich erfahren, wie es im Schülerheim Stromstraße
in den 60iger-Jahren zugegangen ist.“
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2011-10-25