Revolution statt Wulffs und Häupls


GASTAUTOREN – BEITRAG

Der bunte Wulff  in allen Vorteilsgassen wollte zeigen,  daß auch er,  wie die meisten seiner
Zunft,  selbst  in  persönlich windschiefen  Lagen nicht nur  große Nehmer – sondern auch
ebenso große Steherqualitäten habe. Das ist ihm immerhin so ausdauernd gelungen, dass
ihm diese jetzt fürstlich vergoldet werden.
Auch andere mehr oder weniger im grellen Rampenlicht stehende Verantwortliche  werden
für ihr Alter großzügig vor- und ausgesorgt haben. Und das, obwohl sie ihr Volk längst aus
den Augen verloren haben.
Ein anderer Privilegierter und Höchstgehaltbezieher,  Wiens Bürgermeister,  ein Steher von
echtem Schrot und Korn, der  einen kleinen oder mittleren Vorwahlkampf-Schwächeanfall
seiner Partei zu befürchten scheint, hat nach Unmutsäußerungen der Parteibasis sein Herz
für das wahre Wien entdeckt. Wien-Kultur und deutsche Sprache sind dem Rathausmann,
dem im kleinen Kreis das Wort  „Tschusch“*  schon einmal ausgerutscht sein soll, plötzlich
ein Anliegen.  (* Wenig schmeichelhafte  Bezeichnung für Gastarbeiter aus dem damaligen
Jugoslawien.)
Das wäre ja an und für sich nur zu begrüßen,  wüsste man nicht worum es da geht,  und
wüsste man nicht, wie es bisher im Wien des mit deutschnationalen Jugendsünden belast-
eten,  jetzt aber die  Internationale schmetternden  Parteiobersten so  zuging und  weiter
zugeht.  Wobei überlegenswert wäre,   ob die eine Neigung nicht die andere, rein karriere-
mäßig, zur Folge haben musste, wie das bei Konvertiten oft der Fall ist.
Wenn  ich sage,  so zugeht,  dann meine  ich ganz und gar  nicht nur die bereits legendär
gewordene nicht enden wollende Korruption in Wien,  die halt die einen, dank langjähriger
Praxis und Machtausübung,  besser, um nicht zu sagen perfekt, die anderen,  neu Hinzu-
gekommenen,  aus verschiedenen Gründen weniger gut unter dem Tisch halten können.
Dem  roten  Clan,  dessen Häupl  übrigens eine  gewisse Zeit eine Schwäche für türkischen
Charme  nachgesagt  wurde,   haben  nämlich  die  echten  Wiener  etwa  neben  Ghettos,
schrecklichen Bausünden und Umweltverwahrlosung ja auch noch anderes zu  verdanken.
Etwa,  dass an den  besten Standorten am Wiener  Innenstadtring die traditionellen Wiener
Imbissstände türkischen Platz machen mußten.  Beanstandenswertes Kebab statt anständ-
iger Burenwurst. Nicht nur am Ring.
Immer  mehr Kleingewerbe  ging und geht  bekanntlich an  nicht integrierbare  ausländische
Großfamilien.   So sollen vor einiger Zeit am geschichtsträchtigen Hohen Markt pakistanische
Einwanderer den dort begehrten Imbissstand erworben haben, den sie, wie man hört, auch
um 1,5 Millionen Euro nicht mehr aus der Hand geben möchten.
Welcher alteingesessene Österreicher hätte nicht auch gerne so einen tollen kleinen Laden?
Aber  wie kommt ein Österreicher  dazu,  wenn er die  neuen Gepflogenheiten  in Stadt und
Land nicht kennt und auch nicht annehmen möchte?
Ein  besonders exemplarischer  und für Wiens  Identität tragischer Fall ist es auch, dass vor
etlichen  Jahren das älteste  Gasthaus der  Stadt, die  „Tabakspfeife“,  an einen Einwanderer
aus  dem Orient verkauft,  statt von der Gemeinde als schützenswertes Kulturgut erworben
und als solches an einen inländischen Junggastronomen weitergegeben wurde.
Heute  erblickt dort kein  Wiener Schnitzel mehr die Welt.   Aber dafür in Wien immer mehr
Exotisches.   Soviel ist dem Rathaus (sieht man von des Bürgermeisters Lieblingsbeisel und
einigen selektiv geförderten Tafelspitze einmal ab) bisher an Wiens Kultur gelegen gewesen.
Diese wenigen Beispiele aus der Gastronomie  –   in der wenige Inländer oft nur Dank guter
Beziehungen zur führenden Rathauspartei erfolgreich sein können –  stehen ja nur stellver-
tretend  für viele andere in anderen Bereichen,  die die Verdrängung der Wiener Kultur ver-
deutlichen.
Diese  nachteilige Veränderung ist  umfassend und betrifft mittlerweile schon alles Wiener-
ische.   Typen,  Verhaltensnormen,  Ausdrucksformen und  nicht  zuletzt  eben  auch die
Sprache  sind  betroffen  und  weisen  auf ein anderes Wien als das uns Älteren noch be-
kannte und heimisch gewordene.
Wiener Identität, nicht zuletzt österreichische, haben die Parteimanager der regierenden
Rathausparteien  schon  vor  Jahrzehnten  aus  dem  Blickwinkel verloren.   Sie steht in-
zwischen nicht nur auf dem Speiseplan der Konzerne.
Die  Frage  stellt  sich doch längst,  ob es den  Verantwortlichen, sei es hier,  in Berlin oder
Paris, überhaupt noch um kulturelle oder nationale Identitätsbewahrung geht. Ja, ob das
ganze  Menscheln  da  oben  nicht  bloß  Heuchelei ist.  Denn  egal  welcher  Herkunft der
Mensch gerade ist, egal ob In- oder Ausländer, er muss in das Kosten-Nutzenschema der
Konzerne und/oder in die Vorstellungswelt weltfremder Ideologen  „integrierbar“ sein, als
Konsument, als Wähler, als Bauer am politischen Schachbrett.    Sonst wird der Typ aus-
gemustert.
Daher  werden so wie die  bunte Republik der  Wulffs  und  Co.  auch  das  Wien und die
Republik  Österreich weiter in diesem Sinne verwaltet werden.   Man kann  darauf wetten.
Alles anders Lautende von oben sind Lippenbekenntnisse vornehmlich vor Wahlen, dazu
es beim Wulff im Multikulti-Pelz allerdings nicht mehr gekommen ist.
Übrigens  bin ich der Meinung,  auch für die Bundesrepublik Deutschland wäre ein partei-
freier Bundespräsident der geeignetere, und er sollte natürlich vom Volk gewählt werden.
Was nicht nur die Parteien fürchten.
Nun  sind  inzwischen  unüberhörbar  jene  Stimmen,  die  einen  Neuanfang,  etwas ganz
Neues fordern.   Nicht nur bei uns.   Das kann noch lange dauern, die Herrschenden sind
noch mächtig und das System ist noch halbwegs funktionsfähig, wenn auch mit zunehm-
enden  Ausfällen  konfrontiert,  aber  zu  verkraftbaren  Konzessionen da und dort notge-
drungen bereit.
Aber,  und ich sage es zum  wiederholten Male,  wird von wem immer nicht rechtzeitig ein-
gegriffen,  wird sich ohne Revolution (wie immer diese aussehen mag) nichts mehr grund-
legend ändern können.   Entweder diese  oder  ein  wenig rühmliches Ende.   Das lehrt die
Geschichte.
Helmut Müller
2012-02-20