Die Strategie der Karrieristen


Wer seine Kameraden verrät, hat schon verloren

(Gastkommentar von Florian Hitzenberger)

 

Eines unserer Hauptprobleme ist die Wohlstandsverwahrlosung. Es gibt kaum echte Risiken im Leben. Risiken, wo es um alles geht, die man nur meistern kann, wenn man sich auf seine Kameraden und Mitstreiter blind verlassen kann. Viele Menschen kennen das Prinzip, niemals einen Kameraden zurückzulassen, bestenfalls aus dem großen Pathos des Hollywood-Kinos. Ausnahmen sind all diejenigen, welche ihr Leben im Dienst der Allgemeinheit einsetzen, die bei Polizei und Rettung Dienst tun. Ansonsten lernt man ab der Schulzeit, sich rücksichtslos mit Zähnen und Ellbogen nach oben zu kämpfen. Mir das meiste, die anderen sind egal.

 

Nun sollte man glauben, dass für eine rechtskonservative Partei gerade die althergebrachten Tradition der Kameradentreue als Ehre und Pflicht gilt. Dass Menschen, welche sowohl den Dienst an der Gesellschaft als auch im Militär hoch schätzen, ein besonders ausgeprägtes Wertebewusstsein haben. Doch ist das so?

 

HC Straches FPÖ hat gezeigt, dass wirklich jeder Kamerad beliebig am Feld zurückgelassen wird, sobald der linke Feind auf ihn zu schießen beginnt. Die Partei unter Straches Führung hat jedem kleinen Funktionär, jedem Wähler gezeigt: Wenn du dich öffentlich zu laut, zu konkret, zu emotional zu den Themen äußerst, woran wir angeblich alle glauben, an Heimat, Familie, Kultur, Volk, Staatsgrenzen, lassen wir dich fallen. Am härtesten musste dies die patriotische Zivilgesellschaft spüren, welche sich unter dem Banner der stets friedlich und rechtskonform auftretenden Identitären unter dem Motto „Heimat-Freiheit-Tradition“ versammelten.

 

So wie das Vorgehen gegen Parteifreunde befremdete, die sich von heute auf morgen – ob begründet oder unbegründet – im medialen Sperrfeuer wiederfanden, so unverständlich war der offene Hass, der sichtlich auf linke Bestellung den Identitären entgegenschlug. Spitzenfunktionäre der FPÖ überboten sich stündlich darin, härtere Worte zu finden. Ganz offensichtlich war dies von oben so angeordnet worden. Jeder, der sich auch nur entfernt positiv äußerte, wurde dazu gezwungen, seine Meinung um 180 Grad zu drehen und machte dies auch. Einzig Herbert Kickl hielt sich aus dem Wahnsinn heraus. Dadurch, dass er sich nie positiv äußerte, musste er sich auch nie distanzieren. Das macht er bis heute nicht. Während Kickl die eingangs erwähnten, konservativ-freiheitlichen Werte lebt, muss man die Frage stellen, was andere eigentlich antreibt? Vielleicht muss man sogar die Frage stellen, was sie für ihre Position qualifiziert.

 

Und hier sind wir wieder beim gelernten österreichischen Karrieristen, der – hinter mir die Sintflut – für sich selbst das meiste herausschlagen will, ohne auf andere Rücksicht zu nehmen. Diesen Vorwurf muss man leider auch HC Strache machen. Es darf nun niemanden überraschen, dass diese von ihm nicht nur akzeptierte sondern auch praktizierte Vorgangsweise heute gegen ihn angewandt wird.

 

Dazu zitiere ich den von vielen als „genialen Denker und Ideologen“ gelobten Norbert Hofer im ORF-Interview, Sommergespräch, ab Minute 13. „Also, zunächst, was Strache gesagt hat, das ist nicht zu entschuldigen. Ich habe immer festgehalten, das ist fürchterlich, was dort gesagt worden ist.“ Jetzt würde mich interessieren, ob der durchschnittliche Österreicher das auch so sieht. Ob der FPÖ-Wähler das so einschätzt.

 

Das meiste, das Strache in Ibiza sagte, kennt jeder ältere Österreicher aus seiner Lebenserfahrung, egal ob es große Firmen, Job- und Auftragsvergaben oder die Redlichkeit der Medien betrifft. So lächerlich und unglaubwürdig es beim politischen Gegner erscheint, sich künstlich und theatralisch darüber aufzuregen, so unverständlich ist es, diese Worte in dieser Form – ohne Not – aus dem Mund des aktuellen Parteichefs zu hören. Natürlich sind die Worte Straches erklärbar und alles andere als fürchterlich. Sie behandelten nichts als die Wahrheit und Lebensrealität dieses strukturell korrupten Landes, welche viele nicht laut ausgesprochen hören wollen aber von klein an kennen.

 

Diese Worte zeigen dem unbedeutendsten FPÖ-Sympathisanten ein weiteres Mal auf, was er zu erwarten hat, wenn es hart auf hart kommt: Dass die eigene Partei, dass all die Menschen, die man vor Minuten noch für Freunde hielt, auf ihn eintreten werden, anstelle ihn zu schützen. Das, und nur das ist eigentlich unentschuldbar. Dabei könnte die FPÖ durchaus von den anderen Großparteien lernen. Keine SPÖ, keine ÖVP und auch keine Grünen würden jemals einen der ihren fallen lassen, nur weil ideologische Anwürfe oder eine „falsche Meinung“ in der Kritik stehen. All diese Parteien stehen nach außen hin zusammen und regeln Probleme gegebenenfalls intern. Manchen Parteien ist sogar egal, ob Verbalradikale mehrfach verurteilt wurden, sie sind noch in ihren Funktionen. Sogar Gewalttäter im Umfeld der NOWKR oder anderer linksextremer Ausschreitungen werden nicht nur gedeckt sondern auch finanziert und mit Anwälten und Räumlichkeiten ausgestattet.

 

Was aber machte die HC Strache FPÖ mit Menschen, die ähnlich ticken wie sie, die am gleichen Strang ziehen, die mit Sicherheit dieselben Ideale vertreten und das Kreuzerl an der „richtigen“ Stelle machen? Sie verleugnen sie und überlassen sie einer ideologisch motivierten Justiz und Gerichtsbarkeit, für welche sich ein echter Rechtsstaat schämen müsste. Dieses Verhalten scheint unter Hofer vielleicht abgeschwächt aber immer noch präsent zu sein.

 

Und so ist es ein weiteres Mal nicht verwunderlich, dass die Kritik am unfassbaren Skandal, den die Justiz an HC Strache verübte, sehr, sehr leise ausgesprochen wird. Man stelle sich vor, eine anonyme Anzeige, gänzlich ohne Beweise, nur auf Hörensagen beruhend und mit sachlich inkorrekten Inhalten, führt zu einer Hausdurchsuchung bei einem ehemaligen Vizekanzler der Republik! Das riecht nach Amtsmissbrauch erster Güte, nach der Instrumentalisierung der Organe des Landes im Wahlkampf aber auch zur kompletten persönlichen, politischen und wirtschaftlichen Vernichtung eines Menschen.

 

Aber hat Strache sich für Martin Sellner eingesetzt, als diesem dasselbe Unrecht widerfuhr? Als man seine Wohnung mehrfach durchsuchte, ohne dass es dafür eine sinnvolle Grundlage gab? Als man illegal alte Gerichtsakten an die Öffentlichkeit brachte? Als man seine Menschen- und Bürgerrechte vielfach missachtete und mit Füßen trat? Strache trat nach. Dass er schon so bald von derselben Medizin kosten müsste, hat er sich wohl nicht ausgemalt. Das hat niemand. Doch hier bewahrheitet sich der alte Spruch: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg´ auch keinem anderen zu. Es wäre auch jedem anderen Spitzenkandidaten der FPÖ anzuraten, zu überlegen, welche Auswirkungen es hätte, wenn am nächsten Tag die Polizei vor der Tür steht und alle Handys und Computer kassiert. Wenn dann der politische Feind oder der ehemalige politische Partner über die bekannten Seilschaften in der Exekutive und Justiz an interne Daten und interne Kommunikation gelangen.

 

Es ist naiv von mir, anzunehmen, dass es irgendeinen Karrieristen zum Umdenken bringen wird. Aber es ist nun mehr als bewiesen: Wer nur an sich selbst und nicht an andere denkt, übersieht, dass es auch viele andere gibt, die genau so denken. Der Erfolg von heute, während man mit dem Stiefel auf den Köpfen anderer ruht, kann abrupt darin enden, dass einen ebendiese Köpfe morgen lachend in den Abgrund stürzen und noch ein paar Mal nachtreten.

 

Rechtskonservative Politik, eine stabile Erneuerung Österreichs und Europas, kann nur auf Brüderlichkeit aufgebaut werden. Schulter an Schulter, Seite an Seite, Rücken an Rücken muss man gegen das Unrecht der Freiheitsräuber, der Plünderer und Unterdrücker antreten. Nicht mit den Methoden und Worten der Gegner – sondern mit eigenen Mitteln und mit eigener, althergebrachter Sprache und ehrenwertem Handeln. Ohne echte Kameradschaft, auf welche jeder Mitstreiter vertrauen kann, sollte man sich nicht einmal die Stiefel anziehen, um in den Kampf aufzubrechen, denn man hat bereits verloren.

 

Florian Hitzenberger

2019-08-20