GASTAUTOREN – BEITRAG
Es gibt Geld und Ansehen verheißende Bereiche im Leben, in die man mit etwas Ehrgeiz und
ohne besondere Vorkenntnisse relativ schnell vorstoßen kann. Einer dieser Bereiche ist die
Politik, für manche beruflich wenig Erfolgreiche wird diese geradezu zur Überlebensnische.
Immer vorausgesetzt man wird nicht von allzu großen Hemmungen geplagt und verfügt über
ein flottes Mundwerk, stehen die Chancen, Mitnaschen zu können, ganz gut. Weiß man dann
auch noch ein wenig Schauspieltalent in die Waagschale zu werfen, braucht es eigentlich nur
mehr eine einzige Zutat und das Rezept ist perfekt: Dreistigkeit.
Die aktuellen Politik-Skandale sind natürlich nur die Spitze eines Eisberges. Auch weil nicht
wenige sich wohl noch erst im Zustand der Gärung befinden. Nun ist die Korruption, um die
es hier geht, selbstverständlich kein rein österreichisches Phänomen, hat aber vornehmlich
in Wien ein ihr besonders gedeihliches Milieu gefunden.
Zum einen ist es gewiß die nicht nur räumliche Nähe zu Balkan und Orient, die eine gewisse
Bakschisch-Herrlichkeit aufkommen ließ. Zum anderen ist das jahrzehntelange Festsitzen ein
und derselben Partei im Rathaus ein idealer Humus für moralisch und politisch unreinliche
Verhältnisse.
Es erklärt übrigens auch, warum diese Partei so wild entschlossen und mit allen Mitteln um
„ihren“ Besitz kämpft: Nach einem Abgang könnte ja außer fahrlässiger Verschuldung noch
ganz anderes – und nicht bloß ein Briefkuvert, das über einen Schreibtisch gewandert ist –
ans Tageslicht kommen.
Gewiss, es hat sich diese widerliche Bazar-Mentalität nicht nur bei dieser einen Partei ein-
geschlichen. Das System selbst ist infiziert. Man tanzt Korruptionswalzer ganz allgemein. Die
aktuellen Ereignisse um auch regierungsnahe Unternehmen bestätigen dies erneut.
Bestätigt wird auch ein altes Sprichwort: Mit dem Essen kommt der Appetit. Einige dürften
sich da aber ganz schön viel zugemutet haben. Allerdings gibt es in diesem Zusammenhang
ein Verhalten festzustellen, das sehr typisch für einen gewissen Menschenschlag hierzulande
zu sein scheint: Mag einer noch soviel veruntreut oder der Republik geschadet haben, mag
er selbst verurteilt worden sein, er wandelt, um mit Nitzsche zu sprechen, „obschon ganz
verrucht, doch in Unschuld“.
Helmut Müller
2012-02-27