Russisches Roulette?


Schwerer Unfall in U3-Station

Bekanntlicherweise hatte sich am Freitag, den 7.Mai 2010 ein schwerer Unfall in der
U3-Station Enkplatz ereignet. Ein fünfjähriger Bub wurde zwischen U-Bahntüren ein-
geklemmt und mitgeschleift.

Laut Angabe der Polizei war der Bub gegen 15 Uhr mit seiner Mutter die Treppe zur U-

Bahn hinuntergelaufen und wollte noch in den abfahrenden Zug einspringen. „Dabei ist
er mit dem Fuß hängen geblieben“, so ein Polizeisprecher.

Glück im Unglück

Obwohl die Notbremse in der U-Bahngarnitur gezogen wurde blieb der Zug nicht stehen,
sondern fuhr bis zur nächsten Station. Doch der Fünfjährige hatte Glück im Unglück, denn
er prallte am Ende des Bahnsteiges gegen eine Absperrung. Dadurch löste er sich von der
Garnitur und fiel zu Boden.

Nun wird man sich berechtigter Weise fragen was daran Glück war, gegen ein Hindernis
zu prallen und mit zahlreichen Knochenbrüchen liegen zu bleiben. Um Ihnen diese Frage
zu beantworten, möchten wir einen Auszug aus einer heutigen APA-OTS Aussendung der
Wiener Linien GmbH und Co KG wörtlich wiedergeben:

Wiener Linien meinen folgendes:

Als der Zug die Station bereits fast in voller Länge verlassen hatte, haben Fahrgäste im Zug
eine der insgesamt 18 Notbremsen betätigt. Am Bahnsteig selber wurde keiner der drei vor-
handenen Notstopp-Griffe gezogen. Der Zug kam in der nächsten Station zum Stillstand, da
ein Notstopp im Tunnel nicht erfolgen darf.

Diese so genannte „Notbremsüberbrückung“ in Tunnelanlagen ist seit dem Unfall in Kaprun
behördlich vorgeschrieben. Im Falle von notwendigen Rettung- und Feuerwehreinsätzen

kann in einer Station schneller und unmittelbarer gehandelt werden, als im Tunnel.

Zug war noch nicht im Tunnel

Erstens hätte der Zug durch die Auslösung der Notbremse anhalten müssen, da sich dieser
ja noch nicht zur Gänze im Tunnel befunden hat, wie die Wiener Linien in ihrer Aussendung
selbst bestätigen.
 
Wäre das Kind nicht gegen die Absperrung geprallt und dadurch vom Zug gelöst worden,
hätte es dieser bis zur nächsten Station mitgeschleift. Der Bub wäre mit Sicherheit zu Tode
gekommen.

Da erscheint es doch weiters erstaunlich, dass die Wiener Linien in der gleichen Aussendung
folgendes verlautbaren: „Bereits in der Nacht von Freitag auf Samstag wurden von Seiten der
Wiener Linien die Abfertigungs- und Sicherheitseinrichtungen in der Station Enkplatz über-
prüft. Hier wurden keine Mängel an Spiegel, Lichtanlage, Lautsprechern, Markierungen, Not-
bremsen oder Notsprechstellen festgestellt.“

Weiter im Text der APA-OTS Aussendung: „Der Fahrer gab bei seiner Befragung an, sich den
Vorfall nicht erklären zu können. Er wurde bis auf weiteres vom Fahrdienst abgezogen. Auch
der betroffene Zug wird aktuell penibel technisch überprüft.“

Klärt U-Bahnbetreiber Unfälle selbst auf?

Bei einem Zug der der aus einer Station abfahren kann obwohl mindest eine Türe nicht voll-
ständig geschlossen war, da ein Passagier mit seinem Fuß darin eingeklemmt war und nicht
anhält obwohl eine Notbremse gezogen wurde, sind weder an diesem noch an den techni-
schen Einrichtungen in der Station Mängel festgestellt worden.

Ach ja, wir haben doch glatt vergessen dass die Untersuchung vom Linien-Betreiber selbst
durchgeführt wurde und nicht von einem unabhängigen Sachverständigen. Das wäre ge-

nauso, wenn nach einem schweren PKW-Unfall der Besitzer des Pkw’s sein Fahrzeug in
einer Werkstätte seines Vertrauens überprüfen lässt.

Bei einem schweren Verkehrsunfall, bei dem der Verdacht auf Sicherheitsmängel aufkeimt,
wird der Pkw sofort von der Polizei sichergestellt und von behördlich beauftragten Sachver-

ständigen überprüft.

Auch der Unfallort wäre sofort polizeilich gesperrt, um eventuell vorhandene Spuren nicht
zu zerstören, welche von behördlich beauftragten Personen zur Auswertung aufgenommen

würden. Bei diesem U-Bahnunfall waren „Spezialisten“ des Linienbetreibers als Erste am
Unfallort, die keinerlei Mängel feststellen konnten. Scheinbar gibt es für die Wiener Linien
eigene Regeln.

Potentieller Todeskanditat

Auch die „Notbremsüberbrückung“ in Tunnelanlagen ist erstaunlich. Da die U-Bahn perma-
nent im Tunnel fährt, funktioniert die Notbremse nur in den Stationen. Das bedeutet im Klar-
text, sollte auf Grund akuter Lebensgefahr ein Verlassen der U-Bahnwaggons ausserhalb
der Stationen notwendig sein, ist dies nicht möglich da der Zug nicht anhält. Damit wäre und
ist jeder Fahrgast ein potentieller Todeskanditat.

Im Angesicht dieser Zustände, die fast einem russischen Roulette gleichen, bleibt nur eines
übrig. Jedem Fahrgast bei einer U-Bahnfahrt viel Glück zu wünschen, denn unter Umständen
könnte er dieses brauchen.

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2010-05-09