Aufruhr im Wiener Taxigewerbe
„Ich stehe in der Kälte und warte auf’n Taxi, aber es kommt nicht (kummt net, kummt net) ich warte auf das Brummen von ’nem Mercedes Diesel, aber es brummt net…“ Wer kennt ihn nicht, diesen Ohrwurm der Gruppe DÖF aus dem Jahre 1983?
Doch es brummt zurzeit gewaltig im Wiener Taxigewerbe. ERSTAUNLICH hatte gestern
Besuch von einigen aufgebrachten Taxiunternehmern. Grund dafür ist das Verhalten der
zwei Wiener Taxifunkzentralen „40100“ und „31300“. Von den rund 4.500 in Wien betriebenen Taxis, sind zirka 2.500 bei diesen Funkzentralen angeschlossen.
Neues kostengünstiges System
In Deutschland hat sich ein neues System der Fahrtenvermittlung etabliert, welches zur vollsten Zufriedenheit der Taxiunternehmer, sowie auch der Fahrgäste läuft. Daher wurde dieses Fahrten-Vermittlungssystem, im Vormonat nun auch auf Wien ausgeweitet.
Genaue Informationen unter diesem LINK
Dieses Fahrtenvermittlungssystem bringt sowohl den Taxiunternehmern, als auch den Fahr- gästen Vorteile. Für den Kunden hat das endlose Verweilen in der Warteschleife zu Stoß- zeiten ein Ende, da er sein Taxi über einen Tastendruck auf seinem Handy per „App“ bestellt. Die Taxiunternehmer ersparen sich ernorme Kosten, wie die Anschaffung eines Datenfunkgerätes und dessen Einbau, Denn für die Fahrtenvermittlung wird lediglich ein Handy benötigt.
Ferner fallen beim System „mytaxi“, die nicht gerade billigen Vermittlungskosten an die Funkzentralen weg. Denn pro Fahrtenvermittlung über „mytaxi“ wird dem Taxiunter-
nehmer jeweils 1,- Euro pro vermittelter Fahrt in Rechnung gestellt.
Schwimmen die Felle der Dualisten bereits davon?
Diese Situation gefällt den etablierten Dualisten „40100“ und „31300“ natürlich nicht, da sie offenbar ihre Felle davonschwimmen sehen. Daher versuchen sie die Aufbauphase von „mytaxi“ in Wien zu erschweren, indem sie den bei ihnen angeschlossenen Unternehmern untersagen, dieses Fahrtenvermittlungssystem zu nutzen. Ganz offen wird den Taxiunter- nehmer(innen) mit der Vertragskündigung gedroht, falls sie die Dienste von „mytaxi“ in Anspruch nehmen.
Interessant ist das Schreiben der Firma „TAXI 31300 Vermittlungsgmbh“. Diese rechtfert- igt ihre Androhung der sofortigen Kündigung bei der Nutzung von „mytaxi“ mit folgendem Passus im Funkvertrag.
Ob eine derartige Vereinbarung im Klagefall vor einem österreichischen Gericht überhaupt
Bestand haben wird sei ohnehin dahingestellt. Denn auch in Deutschland versuchten die
etablierten Taxifunkzentralen den Aufbau von „mytaxi“ mit der Begründung des „Kon- kurrenzverbotes“ zu boykottieren.
Aber das OLG Frankfurt am Main belehrte die Funkzentralen eines Besseren und hat jüngst klargestellt, dass es unzulässig ist, wenn eine Taxizentrale den ihr angeschlossenen Taxiunternehmen die gleichzeitige Rufvermittlung durch andere verbietet (OLG Frankfurt a.M. v. 14.07. 2009, Az.: 11 U 68/08 (Kart)).
TAXI 31300 schließt jegliche Vermittlungssysteme aus
Abgesehen vom Urteilsspruch des OLG Frankfurt am Main – welcher vermutlich in Öster- reich nicht anders ausfallen wird – stellt sich die berechtigte Frage, ob ein Handy über- haupt als Funkanlage zu werten ist. Über diesen Aspekt scheint man sich auch bei der Firma „TAXI 31300 Vermittlungsgmbh“ und nicht ganz sicher zu sein und schließt daher sicherheitshalber – bis auf das eigene- alle anderen Vermittlungssysteme von der Fahr- tenvermittlung aus.
Abgesehen davon, dass durch das Verhalten des Funkfahrtenvermittlers den Taxiunter- nehmern ein wirtschaftlicher Schaden erwächst, empfiehlt dieser noch den Taxibetreibern, dass die bei ihnen beschäftigten Lenker(innen) per Dienstanweisung gegen eine besteh- ende gesetzliche Vorschrift verstoßen sollen und dies auch noch unterschreiben zu lassen.
Mit dem Satz „Es ist untersagt, andere als das vom Unternehmen in ihrem Fahr- zeug vorgesehene Vermittlungssystem zu nutzen“ stellt die Firma „TAXI 31300 Vermittlungsgmbh“ eindeutig klar, dass außer den von ihnen vermittelten Funkfahrten, nur mehr Fahrgäste aufgenommen werden dürfen die direkt ins Taxi einsteigen. Diese Interpretation des vom Funkfahrtenvermittler verfassten Satzes ist durchaus korrekt, denn sogenannte „Einsteiger“ werden nämlich über kein Vermittlungssystem dem Taxi zugeführt. Erst im zweiten Satz wird mit dem Wort -„auch“- gesondert auf die Mobilfunk-Appli- kation verwiesen, deren Nutzung eine ausdrückliche und schriftliche Erlaubnis des Unternehmers erfordert.
Denn es gibt eine Anzahl von anderen Fahrtenvermittlungssystemen, als die von „mytaxi“. Da wäre zum Beispiel das Standplatztelefon. Dies ist das klassische Fahrtenvermittlungs- system schlechthin. Taxilenker(innen) dürften dann auch nicht mehr als „Stammtaxler“ in Lokalen fungieren.
Denn der Anruf des Bedienungspersonals via Handy zur Abholung eines Fahrgastes ist ebenfalls ein Fahrtenvermittlungssystem. Taxistandplätze vor diversen Spitälern oder Hotels sind teilweise mit einem optischen oder akustischen Signal ausgestattet. Dieses wird durch den Portier ausgelöst, wenn für einen Fahrgast ein Taxi benötigt wird. Auch das ist ein Fahrtenvermittlungssystem.
Alle diese im obigen Absatz beschriebenen Fahrtaufträge müssten Taxilenker(innen) ab- lehnen, wenn es nach der Empfehlung des Funkfahrtenvermittlers geht und würden dadurch gegen die gesetzlich bestehende Beförderungspflicht verstoßen.
Beförderungspflicht
Vergrößerung mit rechter Maustaste und „Graifik anzeigen“ anklicken!
Screen: wien.gv.at.recht
Ausnahmen von der Beföderungspflicht
Vergrößerung mit rechter Maustaste und „Graifik anzeigen“ anklicken!
Screen: wien.gv.at.recht
Trotz intensivster Nachschau konnten wir keine Ausnahme von der Beförderungspflicht
finden, welche die schriftliche Empfehlung der Firma „TAXI 31300 Vermittlungsgmbh“
an die Taxiunternehmer rechtfertigen würde. Unserer Meinung nach versucht der Funk-
fahrtenvermittler die Personalpolitik der Taxiunternehmer(innen) zu beeinflussen um zu verhindern, dass die bei ihnen beschäftigten Lenker(innen) via Handy die Dienste
von „mytaxi“ nutzen. Bei einem Entzug der Funkkarte, wird der/die Lenker(in) für den
Unternehmer „wertlos“ und dies hätte vermutlich eine Kündigung und einen anschließ- enden Arbeitsgerichtsprozess zur Folge.
Wir können nur allen Taxiunternehmer(innen) empfehlen, sich das Schreiben der Firma
„TAXI 31300 Vermittlungsgmbh“ sorgfältig aufzubewahren und im Streitfall dieses beim
Arbeitsgericht vorzulegen, sollte ein(e) entlassene(r) Lenker(in) klagen. So kann sich
nämlich dann auch das Gericht ein Bild von der Vorgangsweise des Funkfahrtenvermitt- lers machen.
Devot und ökonomisch völlig ahnungslos
Allerdings müssen wir den Taxiunternehmer(innen) zwei Vorwürfe machen. Diese
Unternehmer(innen) müssen völlig devot sein, denn anders können wir es uns nicht
erklären, dass diese mit sich in einer derartigen Form umspringen lassen und sich dem Diktat eines Funkfahrtenvermittlers unterwerfen.
Und damit sind wir beim zweiten Vorwurf, nämlich der ökonomischen Uninformiertheit.
Wer nur die Grundregeln der Ökonomie beherrscht müsste am ersten Blick erkennen,
dass Funkfahrtenvermittler ohne angeschlossene Taxiunternehmer keine wirtschaftliche
Überlebungschance haben. Umgekehrt jedoch nicht. Taxiunternehmer benötigen für
ihr wirtschaftliches Überleben keinen Funkfahrtenvermittler. Dies wird täglich von rund
2.000 funklosen Taxibetreibern unter Beweis gestellt.
Wenn beispielsweise ab morgen, alle an den beiden Funkzentralen angeschlossenen
Taxiunternehmer ihre Verträge kündigen, würde diesen wirtschaftlich nichts passieren.
Dass könnte man von den Funkzentralen jedoch nicht behaupten, denn diese müssten
in einem solchen Fall ihre Pforten schließen.
Klar, dass in den ersten zwei Wochen ein kleines Chaos herrschen würde, bis sich die
Fahrgästen neu orientiert haben und auf anderen Wegen ihre Taxis ordern. Alterna- tiven dazu gibt es ja zahlreich. Der Gang zum Standplatz, das Standplatztelefon, den „Stammtaxler“ per Handy zu rufen und seit neuesten die Möglichkeit zu seinem Taxi über den Handy-App „mytaxi“ zu kommen.
Was ist mit der Interessensvertretung los?
Erstaunlicher als die Vorgangsweise des Funkfahrtenvermittlers „TAXI 31300 Vermitt-
lungsgmbh“ ist das Verhalten der Standesvertretung der Taxiunternehmer(innen), denn diese dürfte sich bereits in einen vorzeitigen Winterschlaf begeben haben.
Wir haben schon in etlichen Beiträgen an der Wirtschaftskammer Kritik geübt, dass diese zwar mit Zwangsbeiträgen künstlich am Leben erhalten wird, allerdings dafür sehr dürftige bis gar keine Gegenleistungen erbringt.
Das Verhalten der Taxiinnung (eine Sparte der WK) rechtfertigt unsere Kritik, denn diese hat bis dato nicht im Geringsten reagiert, obwohl sich bereits zahlreiche Taxi- unternehmer(innen) bei ihnen beschwert haben. Was können wohl die Gründe sein, dass diese Zwangs-Interessensvertretung dieses Problem offenbar ignoriert und sich in vornehmes Schweigen hüllt.
Möglicherweise legt die Taxiinnung das ökonomische Prinzip – „geringstmöglicher Auf- wand und größtmöglicher Gewinn“- auf ihre eigene Weise aus und ist der Meinung „Kein Aufwand und größtmöglicher Gewinn“. Es könnte auch sein, dass die Verantwortlichen bei der Taxiinnung kein Interesse an den Problemen und Sorgen ihrer Zwangsmitglieder hegen.
Möglicherweise ist aber auch der Einfluss der Funkfahrtenvermittler in dieser Zwangs- institution so groß, sodass die Taxiinnung an der entstandenen Problematik nicht einmal anstreifen will und ihre Zwangsmitglieder einfach im Regen stehen lässt.
*****
2011-09-10