Frühstück im Arlberger Hotel
Ein erstaunliches Urteil fällte der Vorsteher des Bezirksgerichts Bludenz, Richter Erich Mayer.Aber zuerst zur Vorgeschichte. Was war geschehen? Eine Familie frühstückte im „Arlberger
Hotel“. Neben dem Frühstückstisch stand der Kinderwagen, indem sich der ein Monat alte
Säugling dieser Familie befand.
Mutter orderte heißes Wasser
Die Kindesmutter bestellte bei der Kellnerin heißes Wasser, da sie sich am Tisch einenTee zubereiten wollte. Die Kellnerin, die immerhin schon 16(!) Jahre im Servicebereich,
davon 4 Jahre im betreffenden Hotel tätig ist, brachte die Tasse mit dem heißen Was- ser an den Frühstückstisch.
Die Kindesmutter war mit ihrem Mann in ein Gespräch vertieft und bemerkte die heran-
nahende Kellnerin nicht. Diese machte mit dem Wort „Entschuldigung“ auf sich auf- merksam und wollte den Serviervorgang fortsetzen.
Mutter war ins Gespräch vertieft
Die Kindesmutter hörte dieses „Entschuldigung“ offensichtlich nicht und unterhielt
sich weiterhin angeregt mit ihrem Mann, wobei sie ihre Worte mit einer Handbewegungunterstrich und der Kellnerin die Tasse mit dem heißen Wasser aus der Hand stieß.
Die aus der Hand der Kellnerin weggeschleuderte Tasse landete unglücklicherweise im Kinderwagen. Das darin liegende ein Monate alte Mädchen, wurde dabei schwerstens
verletzt.
Schwerste Verbrennungen
Großflächige Verletzungen, zum Teil Verbrennungen der Haut bis zum dritten Verbrennungs-
grad, erforderten Operationen und Narbenkorrekturen. Wie schlimm und kompliziert das beieinem Säugling ist, wird sich jeder vorstellen können.
Usus im Gastgewerbe
Es ist durchaus üblich und lebensnah, dass Kellner(innen) mit dem Wort „Entschul-digung“ auf sich aufmerksam machen wenn sie sehen, dass sie von den Gästen nicht
bemerkt werden.
Auch könnte man einer Mutter eines Säuglings durchaus zumuten, dass sie diesen
ständig unter Beobachtung hat. Eine Mutter die heißes Wasser ordert und ihr Baby
ignoriert weil sie sich so vertieft unterhält, dass sie nicht einmal die herannahende auf sich aufmerksam machende Kellnerin bemerkt, hat unserer Meinung nach ihre Aufsichtspflicht gröbstens verletzt.
Realitätsfremdes Gutachten
Der Richter Erich Mayer sah das jedoch anders und urteilte zu Gunsten der klagendenFamilie. Seiner Meinung nach hat es sich um kein fachgerechtes Services gehandelt.
Er stützt sich dabei auf ein Sachverständigengutachten, welches beim Service von
Heißgetränken besondere Vorsicht verlangt.
Die Kellnerin hätte mit der Kindesmutter Kontakt aufnehmen müssen, denn sie hätte
damit rechnen müssen, dass die Ankündigung „Entschuldigung“ unter Umständen überhört wird.
Striptease beim Servieren?
Was hätte die Servicekraft denn machen sollen, um die werte Aufmerksamkeit der Dame
zu erlangen? Vielleicht wäre ein Striptease angebracht gewesen, denn dann hätte zumindest
der Ehegatte das Gespräch unterbrochen und in Folge die Kindesmutter der strippenden
Kellnerin die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt.
Für die Tat sühnt ein Unbeteiligter
Obwohl außer Zweifel stand, dass es die Kindesmutter war die der Kellnerin die Tasse aus
der Hand stieß, verurteilte der Richter den Hotelbesitzer, der diese „Tat“ gar nicht be-
gangen hatte, zu 30.000,- Euro Schadensersatz und zur Haftung für eventuelle Spätfolgen.
Lebensfremder Richter
Das Gutachter immer wieder realitätsfremde Expertisen erstellen ist kein Geheimnis. Aller-
dings taucht natürlich die Frage auf wie lebensfremd war der Richter in diesem Fall? Diese
Frage hat ihre Berechtigung, denn immer wieder fällen Gerichte Urteile mit der Begründung
der „lebensnahen Gegebenheiten“.
Auf der ganzen Welt machen Kellner(innen) mit dem Wort „Entschuldigung“ oder „Pardon“
auf sich aufmerksam. Vielleicht war der Richter Erich Mayer noch nie in einem Restaurant,
sondern speist immer zuhause.
Bedauernswertes Kind
Arm und bedauernswert in diesem Fall ist auf jeden Fall das kleine Mädchen. Wenn ihreMutter nicht einmal aufpasst, wenn in ihrer unmittelbaren Nähe heißes Wasser kredenzt
wird, wie schaut es dann auf dem Spielplatz oder in späterer Folge am Schulweg aus.
***** 2009-12-10