Neuauflage des BAWAG-Prozesses
Nächstes Jahr wird es eine Neuauflage des BAWAG-Prozesses geben. Grund dafür ist,
dass der Oberste Gerichtshof im Dezember 2010 wesentliche Teile der erstinstanzlichen
Urteile wegen Feststellungsmängeln aufgehoben hatte. Dies wurde heute durch die Ober-
staatsanwaltschaft Wien offiziell bestätigt.
Um unserer Leserschaft einen halbwegs kompletten Überblick über diese Causa zu ermög- lichen, veröffentlichen wir nachfolgend die Presseaussendung der Oberstaatsanwaltschaft Wien.
Causa „BAWAG“, AZ 63 St 38/06a der Staatsanwaltschaft Wien
Der Oberste Gerichtshof hat mit Urteil und Beschluss vom 23. Dezember 2010 das Urteil
des Landesgerichtes für Strafsachen Wien in der Causa „BAWAG“ vom 4. Juli 2008 im
Wesentlichen teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Strafsache wie folgt weiter verfolgt werden:
Die offenen Anklagepunkte gegen Helmut Elsner und Dkfm. Johann Zwettler werden zu-
rückgezogen. Herr Elsner wurde wegen Untreue in 12 Fällen bereits rechtskräftig zur
Höchststrafe von 10 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Ein weiterer Schuldspruch könnte
zu keiner höheren Strafe führen.
Herr Dkfm. Zwettler wurde wegen Untreue in 7 Fällen und wegen Bilanzvergehen rechts-
kräftig zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt. Ein Schuldspruch wegen der weit-
eren ursprünglich angeklagten Fakten könnte auch bei ihm zu keiner höheren Strafe führ- en.
Mag. Peter Nakowitz wurde wegen Beihilfe zur Untreue in zwei Fakten („Hapenny“ und
„Ophelia Teil 1“ – Schaden 295 Millionen Euro bzw. 80 Millionen USD) rechtskräftig
schuldig erkannt, wobei eine Strafe noch nicht festgesetzt wurde. In den weiteren Fakten
„Capper“ und „Uni-Bonds“ (Schaden 370 Millionen Euro) und wegen Bilanzvergehens
wird die Anklage aufrecht erhalten, weil eine Sanierung der vom Obersten Gerichtshof
zur subjektiven Tatseite festgestellten Mängel des erstinstanzlichen Schuldspruchs zu
diesen Anklagepunkten in einem neuen Rechtsgang aussichtsreich ist.
Das gilt nicht in gleichem Maße für die weiteren bislang nicht verurteilten Anklagefakten
(„Ross Capital Markets“, „Ophelia Teil 2“ und andere), auf deren weitere Verfolgung da-
her verzichtet wird.
Günter Weninger wurde wegen Bilanzvergehen rechtskräftig schuldig gesprochen. Auch
hierfür steht eine Straffestsetzung aus. Darüber hinaus werden auch die übrigen Anklage-
vorwürfe, nämlich Beihilfe zur Untreue in den Fakten „Hapenny“ und „Ophelia Teil 1“ so- wie Beihilfe zu weiteren Bilanzvergehen weiter verfolgt, weil der erforderliche Nachweis auch zu diesen Vorwürfen in einem neuen Rechtsgang nahe liegt.
Auch gegen Mag. Dr. Christian Büttner, dessen erstinstanzlicher Schuldspruch wegen
Beihilfe zur Untreue (Faktum „Hapenny“ – Teilschaden 230 Millionen EURO) und wegen
eines Bilanzvergehens aufgehoben wurde, wird die Anklage aus ähnlichen Gründen zur
Gänze aufrecht erhalten.
Die erstinstanzlichen Schuldsprüche betreffend Mag. Hubert Kreuch wegen Untreue und
Dr. Josef Schwarzecker wegen Untreue und Bilanzvergehens wurden aufgehoben, weil
das Ersturteil dazu widersprüchliche Feststellungen enthielt. Die Staatsanwaltschaft wird
die Anklage jeweils wegen zwei Untreuefakten („Hapenny“ und „Ophelia Teil 1“), zu Dr.
Schwarzecker auch wegen Bilanzvergehens aufrecht erhalten, weil die Aufklärung des
Sachverhalts in diesem Umfang in einem zweiten Rechtsgang durchaus möglich erscheint.
Der Schuldspruch des Dr. Wolfgang Flöttl wegen Beihilfe zur Untreue in drei Fakten wurde aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft wird die Anklage betreffend die Fakten „Ophelia Teil 1″ und „Capper“ (Schaden 80 Millionen USD bzw. 20 Millionen EURO) aufrecht erhalten, weil naheliegt, dass die erforderliche Vorsatzform in einem zweiten Rechtsgang festge- stellt werden kann.
Lediglich auf die weitere Verfolgung des Faktums „Ophelia Teil 2“ mit einem Schaden von
10 Millionen USD wird verzichtet, weil diese bislang in keinem Fall zu einer Verurteilung
geführt hat und selbst im Fall eines Schuldspruchs keinen wesentlichen Einfluss auf die Strafbemessung hätte.
Gegen Dr. Robert Reiter, dessen Schuldspruch wegen Beihilfe zur Untreue in den Fakten
„Hapenny“ und „Ophelia Teil 1“ sowie wegen Beihilfe zu einem Bilanzvergehen aufgehoben
wurde, wird die Staatsanwaltschaft die Anklage insgesamt aufrecht halten. Es liegt nahe, dass in einem zweiten Rechtsgang der Kenntnisstand des Herrn Dr. Reiter über die beiden Investments und damit die erforderliche Vorsatzform durch vollständige Beweiswürdigung festgestellt werden können.
Was wohl Bandion-Ortner darüber denkt?
Ein Königreich dafür, die Gedanken der Ex-Justizministerin Claudia Bandion-Ortner lesen zu können. Als verhandelnde Richterin im BAWAG-Prozess, avancierte sie bekannter Weise nach Prozessende zur Justizministerin. Ihren „Erzfeind“ Helmut Elsner verurteilte sie zur
Höchststrafe von 10 Jahren unbedingter Haft.
Ihr prozessuales „Liebkind“ Wolfgang Flöttl hingegen, musste keinen einzigen Tag ab-
sitzen und darf sich jetzt wieder vor Gericht verantworten. Offenbar ist man bei der Staats-
anwaltschaft zur Erkenntnis gelangt, dass dieser doch kein „Unschuldslamm“ ist.
Ganz besondere Schmerzen dürfte C. Bandion-Ortner möglicherweise die Tatsache bereiten,
dass Helmut Elsner nicht mehr vor Gericht erscheinen muss, denn mehr als die Höchststrafe
gibt es nicht.
Liest man sich in der Presseaussendung den Umfang des Vorhabens der Staatsanwaltschaft
durch, könnte durchaus der Eindruck entstehen, dass Bandion-Ortner in „ihrem“ BAWAG-
Prozess dieselbe Qualifikation aufgewiesen hatte, wie in ihrer Dienstzeit als Justizministerin.
Wir hegen für den Ex-Banker Helmut Elsner keine Sympathie. Sollte dieser aber ein wenig
Schadenfreude empfinden, so vergönnen wir ihm diese aus vollem Herzen.
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2011-12-12