KommAustria entscheidet gegen den ORF
Der ORF hat in seinem TV-Gesamtprogramm im Zeitraum vom 1. Jänner 2010 bis zum
31. August 2011 nicht dafür gesorgt, dass die Kategorien Information, Kultur, Unterhalt-
ung und Sport in einem angemessenen Verhältnis zueinander standen, wie es der im ORF-
Gesetz formulierte, öffentlich-rechtliche Kernauftrag verlangt.
In ihrem gestern vorgelegten Bescheid stellt die Medienbehörde mehrere Verletzungen des
ORF-Gesetzes fest. So war in dem genannten Zeitraum die Kategorie Kultur mit einem
Anteil von etwa 3 % gegenüber beispielsweise der Kategorie Unterhaltung, die einen Anteil
von über 50 % aufwies, stark unterrepräsentiert.
Mit ihrer Entscheidung befinde t die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) über
eine Beschwerde mehrerer Mitbewerber gegen das Fernsehprogramm des ORF. Der im
September 2011 vom Verband Österreichischer Privatsender (VÖP) eingereichte Antrag
richtete sich unter anderem gegen das angeblich unausgewogene Gesamtprogramm in den
Jahren 2010 und 2011.
Für die Kategorisierung der ORF-Sendungen berücksichtigte die KommAustria das Vor-
bringen der Beschwerdeführer, ein von der Behörde beauftragtes Gutachten sowie vom
ORF selbst vorgelegte Darstellungen.
Die KommAustria, die in ihrem Bescheid erstmals das im ORF-Gesetz geforderte angemes-
sene Verhältnis der Programmkategorien zueinander geprüft hat, geht allerdings davon
aus, dass das für 2010 und 2011 festgestellte Ungleichgewicht durch den zwischenzeitlich
erfolgten Programmstart der Spartenkanäle „ORF III – Kultur und Information“ und „ORF-
Sport+“ bei Betrachtung des ORF-Gesamtprogramms mittlerweile größtenteils ausge-
glichen sein dürfte.
Die KommAustria erkennt aber auch einen Gesetzesverstoß in der jeweiligen Ausgestaltung
der Programme ORF eins und ORF 2. So wies etwa in dem von den Mitbewerbern bean-
standeten Zeitraum das Programm ORF eins mit einem Unterhaltungsanteil von rund 80 %
nicht die vom Gesetzgeber geforderte inhaltliche Vielfalt auf.
Nach Ansicht der Behörde handelte es sich bei den beiden reichweitenstärksten Fernseh-
programmen des ORF nicht um so genannte „Vollprogramme“, für die im Bescheid eben-
falls klar nachvollziehbare Kriterien dargelegt werden. Demnach müssen beide Programme
jeweils mindestens drei der vier Kategorien Information, Kultur, Sport und Unterhaltung mit
einem Anteil von wenigstens 10 % aufweisen und darf eine Kategorie nicht mehr als 66 %
des Programms ausmachen. Eine in einem Programm fehlende Kategorie muss dabei in
dem anderen Programm vertreten sein.
So der Bescheid rechtskräftig wird, wird der ORF seine Programmgestaltung sowohl im Hin-
blick auf die Ausgewogenheit des Gesamtprogramms als auch insbesondere hinsichtlich der
inhaltlichen Vielfalt seiner Hauptprogramme überprüfen und gegebenenfalls anpassen
müssen. Die Parteien können binnen zwei Wochen Berufung beim Bundeskommunikations-
senat einbringen. Die Berufung hätte aufschiebende Wirkung. (Quelle: APA/RTR)Bestürzung beim ORF
Nun scheint beim ORF doch einiges schief gelaufen zu sein. Das schließen wir daraus, dass
nun eine Behörde gegen den staatlichen Rundfunk entscheidet. Beim Staatssender zeigt
man sich über den Bescheid bestürzt und meint, der ORF erfüllt wie kaum ein anderer
europäischer öffentlich-rechtlicher Sender seinen umfassenden Informations-, Kultur- und
Unterhaltungsauftrag.
Offenbar ist der ORF-Generaldirektor Dr. Alexander Wrabetz – über den die SPÖ stets ihre
schützende Hand hält – keine Kritik oder gar einen Negativbescheid gewöhnt. Er bezeichnet
den Bescheid als „unfassbar“ und unterstellt, dass dieser mit einem methodisch fragwürd-
igen Gutachten als Entscheidungsgrundlage zustande gekommen sei.
Wir sehen dies etwas anders. Offenbar hat man beim ORF den Bogen überspannt. Mög-
licherweise ist Wrabetz auch in Ungnade gefallen und seine Tage als Generaldirektor sind
bereits gezählt. Jedenfalls steht für uns fest, wenn es keine Zwangsgebührenzahler gäbe,
die den Staatsrundfunk am Leben erhalten, gäbe es auch keinen Dr. Wrabetz als Chef am
Küniglberg.
Allerdings ist man beim ORF kampfbereit und weist die Bescheidaussage entschieden zu-
rück. Ferner wurde angekündigt, sich mit allen rechtlichen Mittel gegen diesen „erstmal-
igen“ inhaltlichen Eingriff in die Programmgestaltung zur Wehr zu setzen.
***** 2012-10-06