Bezahlung eines Strafmandates vergessen
Der Montagetischler Markus R., wohnt bereits seit zwei Jahren an der Adresse 1100 Wien,
Raxstraße. Seine berufliche Tätigkeit besteht darin wochenlang im Bundesgebiet herum-
zureisen, um die Produkte eines namhaften Küchenherstellers in Haushalten zu montieren.
Bei den vielen Kilometern die Markus R. mit dem Montage-Lkw jährlich zurücklegt, kommt
es schon ab und zu vor, dass er sich ein Strafmandat einhandelt. Eines davon war ihm of-
fenbar in Vergessenheit geraten. Nachdem die Autofahrer ohnehin die Melkkühe der Nat-
ion sind, verzichtete auch die Bundespolizei nicht darauf, die Geldstrafe einzukassieren.
Also wurde ein Gruppeninspektor an die Adresse des Montagetischlers geschickt, um den
Betrag des Strafmandates, wegen „Parkens im Halteverbot“ einzutreiben. Da Markus R.
wie gewohnt auf Montage war, stand der Polizeibeamte naturgemäß vor verschlossener
Türe.
Der Amtsschimmel begann wegen 21,- Euro kräftig zu wiehern
Vom dienstlichen Ehrgeiz gepackt, begann der Polizist zu ermitteln und befragte andere
Hausparteien nach dem Verbleib von Markus R. Möglicherweise dachte er auch, den
Kriminalfall seines Lebens an Land gezogen zu haben.
Wenn man bedenkt, dass in heutiger Zeit kaum ein Nachbar den anderen kennt und die
Abwesenheit einer Person oft nur wegen eines Leichengeruches bemerkt wird, war die-
ser Vorgang alles andere als intelligent.
Und so kam es wie es kommen musste. Keine anderer Hausbewohner hatte sich in der
Großstadt-Anonymität für den gesuchten Mitbewohner interessiert und kannten ihn daher
auch nicht. Eine ältere Dame meinte sogar zu wissen, dass dieser delogiert worden sei.
Bei der Adresse von R. handelt es sich sogar um eine Gemeindebauanlage. Nichts wäre
also für den übereifrigen Gruppeninspektor einfacher gewesen, bei „Wiener Wohnen“
anzufragen, ob dass mit der Delogierung überhaupt stimme. Anstatt dessen bemühte
sicher der Gesetzeshüter nachfolgendes Schreiben an die MA 62 zu erstellen um folgen-
den Sachverhalt mitzuteilen.
Die MA 62 schickte daraufhin Markus R. im August 2010 folgendes Schreiben. Gottseidank
passierte dies im Urlaubsmonat des Monteurs. Ansonsten hätte die Angelegenheit vermut-
lich schwerwiegende Folgen nach sich ziehen können, da er wegen seines Berufes die
höchst erstaunliche Frist von „14 Tagen“ nicht einhalten hätte können, da er von der Zu-
stellung dieses Schreibens keine Kenntnis gehabt hätte.
Gedankenlosigkeit bei der MA 62
Offenbar macht man sich bei der MA 62 nicht viele Gedanken um die Bürger der Stadt
Wien. Es gibt nämlich auch noch andere Berufe als die eines Beamten, die tagtäglich am
selben Schreibtisch sitzen und sich nach Feierabend in aller Ruhe nach Hause begeben
können.
Bedenkt man dass es nicht selten vorkommt, dass ein bösartiger Hausherr einen Mieter los-
werden will, ist die Vorgangsweise der MA 62 in der Tat erstaunlich. Der Vermieter bräuchte
sich nur der Dienste dieser Magistratsabteilung zu bedienen, und hätte einen Markus R. sehr
rasch los gehabt.
Auch zerstrittenen Lebenspartner(innen) könnten ihren ungeliebten Partner auf diese Art
loswerden. Man bräuchte nur Sorge dafür zu tragen, dass jene Person die Empfänger des
erstaunlichen MA 62-Schreibens ist, dieses innerhalb von 14 Tagen nicht zu Gesicht be-
kommt.
Jedenfalls konnte Markus R. den Irrtum raschest aufklären, da ihm der Umstand zu Gute
kam, dass er sich zu dieser Zeit im Urlaub und daher in seinen eigenen vier Wänden auf-
hielt.
Anwesenheitskontrolle
Aber ein kleines Sahnehäubchen zur Draufgabe gibt es noch. Erschien doch am 2.Septem-
ber gegen 09:00 Uhr, eine Kontrolleurin der MA 62 an der Wohnungstüre des Monteurs,
läutete an und hakte auf einer „Anwesendheitsliste“ die Anwesenheit von Markus R. ab,
nachdem dieser die Türe geöffnet hatte.
Was wäre wohl passiert, wenn der Tischler wieder auf Montagefahrt gewesen wäre. Ver-
mutlich hätte sich die gesamte erstaunliche Amtshandlung der MA 62 wiederholt. Betrachtet
man die 14-Tage Frist, sowie die doch sehr anmutende Anwesenheitskontrolle, könnte man
zur Annahme kommen, dass die MA 62 Hausarreste erteilt.
Ferner müssten alle alleinstehende Personen ihre Berufe wie Vertreter, Fernfahrer, Monteure
udgl. aufgeben, da sie ihre Wohnung für einen längeren Zeitraum als für 14 Tage nicht ver-
lassen dürfen. Ansonsten blüht ihnen neben der angekündigten Strafe ( bis zu 726,- Euro)
die amtliche Abmeldung.
Erweiterter Denkvorgang gefragt
Diese Abmeldung hätte wiederum zur Folge, dass der Vermieter das Mietverhältnis kündigen
kann. Sicherlich könnten durch aufwendige Gerichtsverfahren und horrende Anwaltskosten
derartige Kündigungen widerrufen werden. Aber all diese Schwierigkeiten könnten vermie-
den werden, wenn man bei der MA 62 weiter als bis zur Schreibtischkante hinaus denken
würde.
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2010-10-14